Monatsarchiv: Dezember 2012

Interview mit dem ägyptischen Rapper Mohamed El Deeb: Jetzt ist die Zeit der Löwen

Bereits unter Mubarak hat sich Mohamed El Deeb mit kritischen Texten profiliert. Er trat während der Januar-Revolution auf dem Tahrir-Platz auf. Vom Kairoer Studio aus spricht Deeb über die Krise in seinem Land.

Sie gehören als Rapper und Polit-Aktivist seit der Januar-Revolution zu den respektiertesten Stimmen der säkularen ägyptischen Jugend. Wie stehen Sie zum Verfassungsentwurf der regierenden Islamisten?

Ich habe mit Nein gestimmt! Niemand von uns hat vor zwei Jahren sein Leben auf dem Tahrir-Platz riskiert, um nun einen neuen Pharao einzusetzen.

Dennoch hat eine Mehrheit der Ägypter für die neue von den Muslimbrüdern befürwortete Verfassung gestimmt.

Die neue Verfassung repräsentiert nicht alle Ägypter, sondern nur einige islamische Gruppierungen. Alle säkularen und christlichen Vertreter haben die Verfassungskommission wegen der Manipulationen der Muslimbrüder verlassen und keinen Anteil an der Gestaltung des Entwurfes gehabt.

Wie wollen Sie nun Ihre Meinung geltend machen?

Uns bleibt nichts anderes übrig, als auf dem Tahrir-Platz gegen Mursi zu demonstrieren so wie einst gegen Mubarak. Am Ende ähneln sich die beiden doch frappierend, nur dass der neue Präsident einen Bart trägt: Muhammed Mubarak Mursi, skandieren die Demonstranten.

Die Bilder vom Tahrirplatz kommen einem inzwischen bekannt vor: Zeltlager, wütende Chöre, Schlachten mit der Polizei. Wie nimmt sich die Stimmung heute im Vergleich zum Januar 2011 aus?

Sie ähnelt der von vor zwei Jahren: Menschen aus verschiedensten Schichten und Hintergründen kommen da zusammen, darunter ein hoher Anteil an Frauen. Die Bewegung hat eher noch an Breite gewonnen: Auch Bürger, die das letzte Mal aus Angst zu Hause blieben, haben sich uns angeschlossen.

Droht nicht angesichts der Schlägertrupps der Muslimbrüder auch diesmal Gefahr für Leib und Leben?

Die Muslimbrüder hetzen viele Leute mit ihrer Propaganda auf: Sie behaupten, dass wir Liberale einen Krieg gegen die Religion führen würden, dabei geht es uns lediglich um die Verfassung. Wir fechten nicht mal den zweiten Artikel an, der dem Islam eine prinzipielle Rolle bei der Rechtsprechung zubilligt. Uns geht es um ganz andere Dinge: Wir wollen keinen allmächtigen Präsidenten, der alles kontrolliert.

Hat die säkulare Opposition es versäumt, Ihre Landsleute ausreichend über den Sachverhalt aufzuklären?

Sehen Sie, 40 Prozent der Ägypter sind Analphabeten. Das macht es den Religiösen leicht, sie über Prediger und Sheikhs zu kontrollieren. Die Muslimbrüder mögen zwar in der Minderheit sein, aber sie verstehen es, über die emotionale Ausbeutung der Religion eine Mehrheit hinter sich zu scharen. Selbst viele der Ägypter, die lesen und schreiben können, haben sich eher mit religiösen Schriften denn mit Politik und politischer Bildung beschäftigt. Ich bin selbst ein Muslim. Aber ich halte es nicht nicht für ausreichend, den Koran zu lesen, um ein mündiger Staatsbürger zu sein.

Sie sind im Westen als einer der politischsten Musiker Ägyptens bekannt. Welche Rolle spielt HipHop heute bei der Meinungsbildung der Jugend?

Wir haben ein halbes Dutzend HipHop-Clubs in Kairo – und jeder weiß, was im Netz läuft. Den Refrain meines Songs „Maw3ood“ singen junge Ägypter auf jedem Konzert mit: „Lasst uns zusammenhalten, damit wir nicht sterben / Rufen wir ein lautes Nein zu den regierenden Affen, es ist die Zeit der Löwen“. Meine Raps sagen den Muslimbrüdern, dass sie Politik mit Religion vermischen. Dass sie die Staatsmedien zensieren und keins ihrer Versprechen gehalten haben.

Welche Versprechen meinen Sie?

Mursi wollte in den ersten hundert Tagen seiner Präsidentschaft Arbeitsplätze schaffen und die öffentliche Ordnung wiederherstellen. Nichts dergleichen ist passiert. Heute terrorisieren Gangs, die von den Muslimbrüdern und anderen islamistischen Parteien gesponsert werden, die Straßen und attackieren Demonstranten. Wer garantiert noch für unsere Sicherheit?

Sind Sie nicht frustriert darüber, wie sich die Revolution entwickelt hat?

Natürlich sind wir enttäuscht. Andererseits verstehe ich, dass es ein langer Prozess ist, die illiteraten und verarmten Massen, die lediglich auf ihren Prediger in der Moschee hören, von den Vorteilen einer echten Demokratie zu überzeugen. Dennoch bin ich zuversichtlich, dass sich die Wahrheit auf Dauer durchsetzen wird. Denn die Mehrheit der Bevölkerung will von den Politikern genug Essen und gute Bildung, nicht extreme religiöse Ideen serviert bekommen.

Sie sprechen von der „dritten Welle der Revolution“.

Wir haben zuerst die Mubarak-Clique gestürzt, im zweiten Anlauf die Militärs zurechtgestutzt. Jetzt müssen wir noch die Religiösen in ihre Schranken weisen.

Die westlichen Medien waren sehr enthusiastisch, was die Rolle der sozialen Netzwerke bei den Massenprotesten des arabischen Frühlings betrifft. Lässt sich der Widerstand heute noch über Facebook organisieren?

Die neuen Medien spielen nach wie vor eine große Rolle, gerade für die Jugendkultur. Wir teilen über das Netz unsere Alltagsprobleme miteinander. Bei meinen Auftritten in Rom, London, Paris, Berlin und Kopenhagen habe ich mitbekommen, dass viele der Jugendlichen auch in diesen Ländern für ihre Rechte kämpfen müssen.

Sie saßen bei einer HipHop-Konferenz in London mit KRS-One und Jesse Jackson als Stimme der arabischen Jugend auf dem Panel. Offenbar erfüllen Sie die romantischen Ideale westlicher Bürgerrechtsaktivisten.

Ich bin den amerikanischen Kollegen sehr dankbar. Polit-Rapper wie Tupac, Chuck D oder KRS-One haben die Jugendlichen in Ägypten, Palästina, im Libanon oder auch Syrien nachhaltig inspiriert. HipHop hatte doch damals wie heute dasselbe Ziel: Die Menschen und ihre Community selbst zu ermächtigen, sich selbst ein Sprachrohr zu verschaffen. Wir versuchen das heute im Nahen Osten zu erreichen.
Interview: JONATHAN FISCHER
FAZ 29.12.2012

Die personifizierte Masslosigkeit: Die Wiederentdeckung des brasilianischen Exzentrikers, Lebemanns und Soul-Crooners Tim Maia

Der brasilianische Soul-Crooner Tim Maia zählte in den siebziger Jahren zu den Innovatoren der brasilianischen Pop-Musik. Nun erscheint auf dem World-Music-Label Luaka Bop eine Reissue-Kollektion mit Aufnahmen des 1998 verstorbenen Talents.

Von Jonathan Fischer

Zehn Jahre und viele Lizenzkämpfe hat David Byrnes Plattenfirma Luaka Bop gebraucht, um die Kollektion «Tim Maia – Nobody Lives Forever» auf den Markt zu bringen. Aber hätte man etwas anderes von dem Nachlass eines der schwierigsten und grössten Talente der brasilianischen Musik erwarten dürfen? Denn Tim Maia war schon zeitlebens vor allem eines: die personifizierte Masslosigkeit. Oder um es positiv zu betrachten: ein in allen Dingen überschwänglicher Pop-Alchimist. Sagenumwoben bleibt nicht nur Tim Maias Körperfülle, sein unersättlicher Appetit nach Drogen, fleischlichen und spirituellen Genüssen, sein wankelmütiger Umgang mit Konzertterminen (er liess selbst wichtige Auftritte sausen) und seiner Plattenfirma (an deren Angestellte er einmal hundert Tütchen LSD verteilte).

Innovator

Legendärer noch ist sein Aufstieg zum Innovator der brasilianischen Musik Anfang der siebziger Jahre. Ohne Maia wäre weder die politisch-kulturelle Black-Rio-Bewegung noch die Fusion von amerikanischem Soul und Funk mit den brasilianischen Bossa-nova- und Tropicália-Moden denkbar gewesen. Er blieb drei Jahrzehnte lang – bis zu seinem frühen Tod im Jahre 1998 – einer der populärsten Sänger des Landes. Maias Einfluss wirkt bis heute nach: Nicht nur dreht sich eines der erfolgreichsten brasilianischen Musicals der vergangenen Jahre um sein wildes und kreatives Leben, auch ein Film über ihn ist in Entstehung, während jüngere Stars wie Seu Jorge oder der Rapper Marcelo D2 Tim Maias Fusion für die Nachgeborenen auffrischen.

Brasilianer in New York

Der Mann bleibt einfach unwiderstehlich. Man stelle sich einen brasilianischen Elvis vor: Elefanten-Präsenz, wuchtige Stimme, XXL-Pop-Appeal. Und dann lasse man ihn über Ufos, Sex und Frieden singen. Umso ungeheuerlicher, dass der Name Tim Maia – trotz Auszeichnung als «grösster brasilianischer Sänger aller Zeiten» durch den «Rolling Stone» – jenseits des portugiesischsprachigen Südamerika meist nur Schulterzucken auslöst. Vielleicht weil er so schwer einzuordnen ist. Tim Maia singt bald englisch, bald portugiesisch. Der Musiker hat das Etikett «psychedelisch» vor allem als zeitweiliger Anhänger einer nach Ausserirdischen spähenden Sekte verdient. Und wo Kollegen brasilianische Musik als gut verkäufliche Exotik verpackten, zeigten Maias Songs offen die Verehrung für afroamerikanische Kollegen wie Sly Stone, die Isley Brothers oder Curtis Mayfield. Er spielte Pingpong mit den Pop-Moden beider Amerikas.

Die Lebensgeschichte des Sebastião Rodrigues Maia hatte ihn für diese Mission prädestiniert: Der Bub aus den nördlichen Vororten von Rio de Janeiro, zweitjüngstes von 19 Geschwistern, hatte bereits im Alter von acht Jahren begonnen, Songs zu schreiben. Mit vierzehn spielte er Schlagzeug. Später lernte er Gitarre und gründete sechzehnjährig die Band The Sputniks, die 1958 selbst im brasilianischen Fernsehen auftrat. Das Jahr darauf zog er in die Vereinigten Staaten. Offiziell um Kommunikationswissenschaften zu studieren. Tatsächlich aber, um sich als Sänger und Kleindealer ohne Aufenthaltsgenehmigung durch die Musikklubs New Yorks zu schlagen. Als er 1963 Marihuana rauchend in einem gestohlenen Wagen erwischt wurde, deportierte man ihn nach sechs Monaten Haft zurück nach Brasilien. Dort begann er zusammenzumischen, was für seine Ohren zusammengehörte: die populäre romantische brasilianische Musik und Funk, Soul, Disco aus New York.

Maias enorme Stimme zog auf Anhieb die Massen an. Dabei verströmte er bei aller Wucht immer etwas Sanftes, fast Entrücktes und vermochte körperliche Liebe mit blumigen Versprechungen einer besseren Welt zu verzieren. Gesanglich bezieht sich Maia weniger auf Gospel, vielmehr entwickelte er über grossorchestrale Funk-Arrangements einen Charme, der Sex und spirituelle Selbstbefreiung suggeriert. Als ob Barry White in Brasilien zur Hippie-Gegenkultur gestossen wäre.

In seiner Heimat füllte Tim Maia mit dieser Melange Fussballstadien. Er produzierte 32 Alben in 28 Jahren. Und brachte Soul-Musik aus Amerika dauerhaft in den Mainstream des Landes ein. «Tim war der Big Bang, der die Szene komplett revolutionierte, als er Anfang der siebziger Jahre ankam», sagt Nelson Motta, ein Plattenproduzent und Autor eines brasilianischen Bestsellers über Tim Maia. «Er nahm das schwarze amerikanische Ding und mischte es mit brasilianischen Formen wie Samba, Baião und Xaxado und hob damit eine neue Richtung brasilianischen Pops aus der Taufe: die der urbanen schwarzen Musik.»

Sein Stil – das zeigt die neue Luaka-Bop-Compilation – hat in den letzten dreissig Jahren nichts von seinem Appeal verloren: Bläser, Fuzz-Gitarren, Hammond B3 und ein entspannter Back-Beat finden sich da bald in glühenden Soul-Balladen, bald im Mid-Tempo-Funk zusammen. Wie etwa das hymnische «Que Beleza»: ein Stück aus Maias künstlerischem Zenit Mitte der siebziger Jahre, das er lediglich auf einem kleinen Privatlabel veröffentlichte.

Interplanetare Esoterik

Damals kündigte er seine Konzerte als Werbeveranstaltungen für eine Ufo-Sekte an und besang deren Bücher in seinen Songs so leidenschaftlich wie R’n’B-Sänger sonst ihre Seidenlaken. Maias Popularität konnte die interplanetare Esoterik nichts anhaben. Im Gegenteil: Was taugt ein Pop-Star ohne exzentrische Macken? Zumal Maia noch eine ganz andere, eine politische Seite entfaltete. Denn erst mit dem Afro tragenden Soulman bekam die Black-Rio-Bewegung – Brasiliens Äquivalent zu Black Power – ihre Schlagkraft: als auch Bands wie Banda Black Rio seinen Stil übernahmen, die Jugendlichen an Tim-Maia-Konzerten die Fäuste zum Bruder-Gruss erhoben und das weisse Militärregime alarmiert auf die Zeichen wachsenden schwarzen Selbstbewusstseins zu reagieren begann.

Insofern leistet die Luaka-Bop-Kollektion mehr als nur gute Dienste für DJ. Sie holt ein Stück brasilianische Geschichte ins Bewusstsein zurück.

Tim Maia: World Psychedelic Classics Vol. 4 – The Existential Soul of Tim Maia: Nobody Can Live Forever (Luaka Bop).

NZZ 28.12.2012

Das Jahr der Seele: Cody Chesnutt erneuert den symphonischen Funk

Sternstunden des Soul lassen sich nicht erzwingen. Und auch wenn die Major-Plattenfirmen fast monatlich neue angebliche Soulhoffnungen nach exakt getaktetem Businessplan in die Arena der Popmusik schleudern, beweist Cody Chesnutts höchst sprunghafte Karriere, dass sich die wahrhaft großen Würfe wohl eher den Gesetzen des Marktes zum Trotz ereignen. Der vierundvierzigjährige, aus Atlanta stammende und spät zu seiner Berufung gekommene Soulsänger Chesnutt hatte bereits über ein Jahrzehnt an seinem Musikertraum gewerkelt, als er 2002 sein Debut „The Headphone Masterpiece“ veröffentlichte. Es war ein sehr persönliches Bekenntnis in nicht weniger als 36 Songs – und eines der Alben, auf die sich damals alle einigen konnten: Was hätte besser als Gegengift zum überpolierten, aber oft inhaltsfreien Mainstream des Rhythm’n’Blues wirken können als diese Sammlung genialischer, aber unfertig wirkender Demos voller Lo-Fi-Charme? Und als die Hiphop-Band The Roots kurz darauf einen seiner Songs mit Chesnutt selbst als Sänger und Gitarristen coverte, landete der Mann seinen bisher einzigen Hit: „The Seed“. Zehn Jahre sind seitdem vergangen: Zeit, die Cody offensichtlich nutzte, um sich noch tiefer in die Geschichte der schwarzen Musik hineinzuwühlen.

Sein neues Werk „Landing on a Hundred“ jedenfalls ist ein Soulalbum, das auf Anhieb das Prädikat „klassisch“ evoziert, und zwar nicht nur im Sinne technischer Vollkommenheit. Sondern auch weil dieses Album klingt, als wäre es damals entstanden, als diese Musik ihre hohe Zeit erlebte. Tatsächlich hat sich der Sänger für einen Teil der Aufnahmen einen mythenbefrachteten Ort des Soul gesucht: Die Royal Studios in Memphis. Hier haben einst Al Green, O. V. Wright, Syl Johnson und Ann Peebles ihre Southern-Soul-Hits eingespielt. Nun jagt Chesnutt sein unwiderstehliches Falsett durch dasselbe Mikrofon, das einst Al Green benutzte, er fährt jede Menge Streicher und Bläser auf, um die Funk-Symphonik der siebziger Jahre nicht nur wiederzubeleben, sondern mit einer Dringlichkeit, die selbst vielen Hiphop-Neuerscheinungen abgeht, im Hier und Jetzt zu feiern. Da trifft Leidenschaft auf Intimität. Auch wenn vieles in den Kölner SuPow Studios des Co-Produzenten und Soul- und Reggaemusikers Patrice digital nachbearbeitet wurde, strahlen die Aufnahmen immer noch die Wärme der alten Analogtechnik aus, mit welcher auch die Hits von Al Green aufgenommen wurden.

Und wo wir schon bei den Referenzen sind: Auch Marvin Gaye und Curtis Mayfield geistern wie gute Onkel durch die Musik auf diesem Album. Vor allem wenn Chesnutt sein Falsett ausreizt und sich über trockenen Funk-Gitarren, subtilen Bläsereinschüben und Orgelschattierungen an seiner Seelenläuterung abarbeitet: Schon der gospelige Opener „Til I Met Thee“ ist eine Offenbarung. „I was a dead man, I was asleep / I was a stranger in a foreign land until I met thee“, heißt es darin, und erst im Laufe des Songs wird klar, dass sich die Liebeserklärung nicht an einen Menschen, sondern an Gott richtet.

Außer vielleicht Anthony Hamilton hat zuletzt niemand das Erbe des Southern Soul so glaubwürdig in die Hiphop-Gegenwart herübergerettet wie Cody Chesnutt. Und dieser hat mehr als nur den Stax-Katalog durchgehört. Wenn er auf „I’ve Been Life“ die Nationen Afrikas und ihr großes kulturelles Erbe anruft, klingt sowohl der Stevie Wonder von „Innervisions“ durch als auch der Afrozentrismus des frühen Hiphop. An anderer Stelle – welcher Soulman dürfte das vergessen? – zollt er seiner Mutter Tribut: „Who ya gonna call now when the lawyer call your name?“ Natürlich „Mama“. Chesnutt wird in diesem Song wieder zum Schuljungen.

Dann wieder singt er über seine Befreiung von der Crack-Sucht. Die Lyrics haben oft den erratischen Charakter von Tagebucheinträgen – und das ist gut so. Denn Cody Chesnutts Stärke liegt in seiner Fähigkeit, gesellschaftskritische Beobachtungen, politischen Anspruch und romantische Schwelgereien miteinander in Einklang zu bringen. Der Albumtitel „Landing on a Hundred“ spielt mit einem Slang-Sprichwort: „Keeping it one hundred“, heißt soviel wie „mit der ganzen Wahrheit herausrücken“. Cody Chesnutt zeigt auf diesem Album alles, was er hat. Und verbindet das Wahre mit dem Schönen zum überzeugendsten Souldrama der vergangenen Jahre.
JONATHAN FISCHER
FAZ 22.12.2012