Monatsarchiv: Juni 2011

CUMBIA! Systema Solar „Bienvenidos“

TANZ MIT UNS! Wilde Beats aus den Straßen Lateinamerikas erobern die Clubs in Europa. Die Tanzmusik des Sommers heißt: Cumbia!

Sie hüpfen in Froschsprüngen über die Bühne, halten sich Mikrofone wie Hörner an den Kopf, schlagen wilde Rhythmen auf ihren Armen. Dazu gießen sie eimerweise einen hochtourigen Silbensalat ins Publikum. Nein, gewöhnliche Rapper sind die Frontmänner von Systema Solar nicht. In ihren leuchtend orangefarbenen Overalls wirken sie eher wie Astronauten auf einem kosmischen Karneval. In ihrer Heimat Kolumbien sind Systema Solar Superstars. Dort füllt die Truppe aus DJs, Rappern, Tänzern und Perkussionisten regelmäßig Dorfplätze und Arenen. Im Hamburger Stadtteil St. Georg treffen sie auf ein Publikum aus Latino-Exilanten und Neugierigen.

Ob diese digitale Tanzmusik aus der Dritten Welt in einer deutschen Mehrzweckhalle auch funktioniert? Schon nach wenigen Takten haben die Rhythmuswalzen der Kolumbianer jeden Zweifel hinweggefegt: Das Publikum ergibt sich dem Vorwärtsdrang der Musik, lässt sich von den Trommel-Girlanden in einen Rausch schieben. Tanzend treibt die Menge in der Brandung der Beats. Währenddessen plündern die Kolumbianer den weltweiten Pop: Der DJ spielt auf zwei Plattenspielern Scratch-Rhythmen wie im Hip-Hop, die Effekte des Laptop-Programmierers erinnern an Dub-Reggae aus Jamaika, der Perkussionist beschwört das Erbe des Afrobeats. Und in den hohen Registern quäkt ein digitales Akkordeon-Sample: Cumbia!

Die Cumbia bezeichnete ursprünglich eine bäuerliche Tanzmusik aus Kolumbien, in der das Akkordeon eine tragende Rolle spielt. Doch inzwischen ist ihr synkopierter Vierviertelrhythmus ein globales Phänomen. Lokale Hip-Hop- und Techno-Produzenten popularisierten Cumbia-Beats in ganz Südamerika und Mexiko, während eine westliche DJ-Avantgarde auf die hypnotisierende Wirkung der tropischen Importe schwört. »Cumbia ist viel leichter zu verstehen als etwa Salsa«, erklärt der in Berlin lebende Techno-Musiker Matias Aguayo. Der Viervierteltakt knüpfe einerseits an Altbekanntes an, während die lässigen Synkopen alle möglichen erotischen und exotischen Konnotationen transportierten. »Ursprünglich war die Cumbia ein Paartanz: Ein schwarzer Mann versucht eine Indio-Frau zu verführen, das zeigt auch die musikalische Mischung aus afrikanischen Trommeln und den pentatonischen Melodien der Indio-Flöten.«

Herkömmliche Cumbia-Klänge erreichten nur ein Nischenpublikum. Zwar waren kolumbianische Akkordeon-Combos oder bläserverstärkte Cumbia-Orchester stets in den Weltmusik-Regalen vertreten. Doch erst mit der Verbreitung des Internets und damit billiger Software bis in die letzten Dörfer Lateinamerikas fanden die Rhythmen in einen neuen, digitalen Kontext. Als »World Music 2.0«-Virus fing die Cumbia an, durchs Netz zu geistern. Wohnzimmerproduzenten aus ganz Lateinamerika speisten Akkordeon-Riffs in ihre Rechner, jagten Flöten und Gesänge durch elektronische Filter und verlangsamten die Beats auf gemächliches Hip-Hop-Tempo. Nun überwindet die Cumbia digital gerade den tortilla curtain in Richtung Nordamerika und Europa.

In Deutschland gehört Matias Aguayo zu den Vorreitern. Der Deutschchilene hatte vor allem Minimal Techno produziert – bis ihn ausgedehnte Aufenthalte in Südamerika auf andere Wege führten. »Bumbumbox« nannte Aguayo eine Serie von Straßenpartys, bei denen er von Feuerland bis Mexiko belebte städtische Plätze mithilfe ortsansässiger DJs, einiger Ghettoblaster und einer Mischung aus Techno, House und lateinamerikanischer Tanzmusik zu Freiluft-Diskotheken machte. Am Ende kam er mit neuen rhythmischen Ideen nach Hause. Auf seinem 2009 in Buenos Aires und Paris produzierten Album Ay Ay Ay schiebt sich ein tropischer Beat unter verschachtelte Chants, während das treibende Akkordeon die alte afroindianische Cumbia herbeizitiert.

»Eine Folge produktiver Missverständnisse« nennt Aguayo den neuen Cumbia-Pop, den vor allem mexikanische Soundsystems popularisierten. Sie spielen die kolumbianischen Cumbia-Importe langsamer ab, um sie für ihre Landsleute tanzbarer zu machen. Heute imitieren viele Elektro-Produzenten eine entsprechende Ästhetik – mit fetten Bässen und tiefen, verzerrten Stimmen. Dass Cumbia auch im Westen »das nächste große Ding« sei, haben Aguayo seine eigenen DJ-Erfahrungen gelehrt: »Erstaunlicherweise kann ich selbst in einem Elektro-Club die Menschen mit einer alten Akkordeon-Cumbia zum Tanzen bringen. Einerseits öffnet sich die Clubszene gerade in Richtung Dritte Welt. Andererseits wirkt der Cumbia-Rhythmus noch nicht so abgegriffen wie House oder Hip-Hop.«

In Deutschland populär gemacht hat die Musik vor allem das Label Chusma der beiden Berliner DJs Steen Thorsson und Lukasz Tomaszewski. La chusma bedeute Pöbel oder Abschaum, erklärt Thorsson alias Tio Chango; ein Begriff von der Straße, den die Unterschicht Lateinamerikas gern zum Ehrentitel ummünze. »Wir wollten Cumbia nicht als Wohlfühl-Untermalung für deutsche Café-Bars, sondern den dreckigen Bastard-Sound dokumentieren, der heute digital produziert wird.«

Warum sollte der populärste Rhythmus Südamerikas nicht auch in Deutschland funktionieren? Klar, dass Systema Solar einer der ersten Acts war, den die Berliner für ein Album lizenzierten. Neben der kolumbianischen Szene stellt der Chusma-Sampler Cumbia Bestial digitale Mixe aus aller Welt vor – von der Band Bomba Estero aus Bogotá über den mexikanischen DJ Toy Selektah bis zu den Cumbia Cosmonauts aus Melbourne. Thorsson sieht darin eine Emanzipationsgeschichte: Neue Trends kämen nicht mehr zwangsläufig aus London, New York oder Paris. »Die digitale Revolution hat die Produzenten in der Dritten Welt auf Augenhöhe mit ihren westlichen Kollegen gebracht. Vorher hatten sie weder die technischen noch die ökonomischen Möglichkeiten, fette Cumbias zu produzieren.«

Der Sog dieser Bastardmusik brachte auch Paco Mendoza zu seinen Wurzeln zurück. Consciente y Positivo heißt sein Cumbia-Debüt, ein Album mit politischem Anspruch. Der Sohn peruanischer und paraguayischer Eltern war im Schulalter von Argentinien nach Deutschland gekommen und hatte sich hierzulande mit seiner Band Raggabund einen Namen in der Dancehall-Szene gemacht. Zu seinem neuen Album aber animierte den 33-jährigen Berliner die rasante Modernisierung der südamerikanischen Popmusik: »Mit Cumbia, wie sie in den Slums kursiert, kannst du ähnliche Botschaften vermitteln wie im Hip-Hop.« Schließlich geht es darin nicht nur um Party-Anmache. Die Musik transportiert Nachrichten aus dem barrio, von der Lokalpolitik bis zur Affirmation des eigenen Lebensstils.

Mit Consciente y Positivo kehrt die Sozialkritik auf die Tanzfläche zurück. Mendozas Texte sind zu deftigen Beats vorgetragene Klagen über soziale Missstände, Armut und schlechte Musik im Radio. Der Ton jedoch bleibt optimistisch-unaufdringlich. Statt zu predigen, zitiert Mendoza spielerisch ein paar Takte Hip-Hop-Lingo, ein Reggae-Motiv oder die Melodie einer mexikanischen ranchera. Die Wahrheit liegt im Mix. »Das Tolle an dieser Musik ist ihre Aufnahmefähigkeit für alles Fremde«, sagt Mendoza. »Ich bin auf meinen Südamerika-Reisen auf die verschiedensten Bastardformen gestoßen, Cumbia-Hip-Hop, Cumbia-Reggae, selbst Cumbia mit psychedelischen Gitarren.«

Eine Vielfalt wie in den verschiedenen Formen von Rockmusik. Systema Solar überraschen bei ihrem Auftritt in der Schulaula von St. Georg immer wieder mit wilden Stilbrüchen: Plötzlich gibt eine Indio-Flöte die Melodie vor, klingeln die afrikanischen Gitarren der kolumbianischen Champeta-Folklore zwischen computergenerierten Breakbeats. So ähnlich tönt es aus den Boxen der pikos, der oft auf Lastwagen reisenden kolumbianischen Soundsystems. Als Radio der barrios mischen sie den Pop verschiedener Generationen. Und beschwören die Kraft der Ahnen für das Überleben im Hier und Jetzt: »Du bekommst kein Visum für ein anderes Land / die Bank gibt dir kein Geld mehr / und du bist völlig abgebrannt«, rapt der Systema-Solar-Frontmann mit der von Neonbändern zusammengehaltenen Zöpfchenfrisur. »Dann bleib doch hier, und tanz mit uns!«
JONATHAN FISCHER
Die Zeit, 9.6.2011

AUS SCHMERZ MACH POP! Cee-Lo Green, die Soul-Machine

Er wird von den Kritikern als Genie in den Fußstapfen von Prince gefeiert. Er landete als Hälfte von Gnarls Barkley mit „Crazy“ den bisher größten Single-Hit des 21. Jahrhunderts. Und machte letzten Sommer einen nur im Netz veröffentlichten Song – mit 20 Millionen Klicks in wenigen Wochen – zur Soulsensation des Jahres: „Fuck You!“. Nicht zu vergessen sein auf vielen Endjahreslisten 2010 ganz hoch gewertetes Album „Ladykiller“, die Auftritte in allen wichtigen amerikanischen Talkshows, sowie die fünf Grammy-Nominierungen, etwa für den Song des Jahres und das Album des Jahres. Dennoch hält sich Cee Lo Green eigenen Angaben nach für einen „ Underdog“. Vergleicht er sich gerne mit einer Raupe, die jahrzehntelang unbemerkt auf ihrem Ast Blätter fraß, bis sie sich in einen Schmetterling verwandelt – einen hübschen Falter, der doch den Schmerz des hässliche-Raupe-Seins nicht vergessen kann. „Meine Musik“, sagt der Typ mit dem Kastenschädel und den tätowierten Armen, „kommt aus der Einsamkeit. Es ist für mich ein Weg, den Schmerz zu kanalisieren“.

Cee Lo Greens Image als herzensguter, lustiger Hau-drauf-Geselle, seine oft Operetten-haften Video-Inszenierungen können leicht täuschen: Den verzweifelten Seelenforscher maskieren. Klar, dass der lang verkannte Sänger den neuen Superstar-Status genoss, als er mit Gnarls Barkley 2006 und 2008 zur Bewerbung ihrer beiden Alben „St. Elsewhere“ und „The Odd Couple“ auf Welttournee ging. Je nach Laune verkleideten sich dabei Green und sein musikalischer Partner Dangermouse als römische Zenturionen, als Kaftan-tragende Hippies oder Star-Wars-Krieger. Über dieser Show ließ sich leicht vergessen, dass Cee Lo Green mit Gnarls Barkley einige der düstersten Songs seiner Karriere aufnahm. Sein Patentrezept: Auftriebige Melodien mit Texten zu verbinden, die den Frohsinn ganz beiläufig konterkarieren. Popsirup mit einem Schuss Bitter. Das funktionierte ganz besonders gut auf Hitsongs wie „Crazy“ oder „Fuck You“, wo schwere Bässe und Mitsing-Refrains eine Seelen-Tragödie kaschierten, während Cee-Lo Greens Soulstimme etwas vom Schmerz, der Wut, der Traurigkeit des Sängers offenbarte. Eine Art Double-Talk. Und der Punkt wo sich ganz große Soulkunst seit jeher mit dem Leben trifft.

Tragödien gehörten von klein auf zu Cee Lo Greens Leben: Sein Baptistenprediger-Vater starb, als er zwei Jahre alt war, seine Mutter, ebenfalls eine Predigerin, verunglückte später bei einem Autounfall. Cee Lo, damals ein 16-jähriger Freizeit-Rapper, hatte seine an allen Gliedmaßen gelähmte Mutter zu versorgen. Zwei Jahre später verstarb auch sie. Das war 1995, als Green gerade im Begriff war, „Soulfood“, sein Debut-Album mit dem Goodie-Mob zu veröffentlichen. „Meine Mutter drei Jahre lang leiden zu sehen, hatte mich vollkommen hilflos gemacht. Ich kann mich nicht an das Gefühl kindlicher Unschuld erinnern. Stattdessen versuchte ich auf aggressive Weise zu überleben, mir Respekt zu verschaffen“. Nur seine HipHop-Leidenschaft rettet den Schläger und Autoknacker davor im kriminellen Milieu zu versinken. Stattdessen packt er seine Erfahrungen mit mentaler Labilität in seine Musik. Lässt er sich auf keinen Stil festlegen. Jongliert er mit den Genres wie mit den Charakter-Rollen. „Crazy“: Das ist auch Cee Lo Greens Überlebens-Programm. „Ich habe nicht viele Freunde. Und obwohl ich im Grunde ein netter Kerl bin, verletzte ich immer wieder die Menschen um mich herum.“ Mit Gnarls Barkley – und zuletzt als „Ladykiller“ – konnte er das endlich in gesungene Geständnisse packen.

Viele seiner neuen Fans aber haben keine Ahnung, dass der Soul-knödelnde Superstar sich bereits seit 15 Jahren als Rapper des Goodie Mob einen Namen gemacht hat. Oder dass er unter eigenem Namen bereits zwei Soloalben herausbrachte. „Manchmal höre ich Fans fragen: Warum hat Gnarls Barkley sich in Cee Lo Green umtaufen lassen? Aber das macht mir nichts aus. Diese Underdog-Rolle arbeitet für mich. Sie gibt mir das Gefühl, ein einfacher Arbeiter zu sein – und den Antrieb, mich in Zukunft noch mehr anzustrengen“. Cee Lo Green hat schon immer im Schatten der Pop-Charts brilliert. Abseits der ganz großen Bühnen und ohne den Erwartungsdruck von Nummer Eins Hits prägte er mit seinem Goodie Mob den Stil des „Dirty South“. Den idiosynkratischen Southern HipHop aus Atlanta. Doch während geistesverwandte Kollegen wie Outkast, N.E.R.D., Timbaland und Missy Elliott mit poppigen Hooklines abräumten, predigte Goldzahn-Rapper Cee Lo bevorzugt über die dunklen Seiten seiner Heimatstadt. Überraschte er seine Hörer mit positiven Botschaften jenseits von Autos und Dollarbündeln. Später gelangen ihm mit seinem 2002er Debut „Cee Lo Green And His Perfect Imperfections“ und dem zwei Jahre später veröffentlichten „… Is The Soulmachine“ wegweisende Fusionen von Gospel, Funk und Rap. Die Kritiker reagierten begeistert – doch sein Label Jive ließ ihn aufgrund enttäuschender Verkaufszahlen fallen. Offensichtlich war das Publikum noch nicht reif für Cee Los wilden psychedelischen Mix. Mutete er der Soulgemeinde zu viel Experimente zu, während die HipHop-Fans seine esoterisch wirkenden Heliumgesänge verunsicherten. Wer wollte sich schon mit einem Freak einlassen?

„Ladykiller“ ist Cee Lo Greens bisher reifstes, gediegenstes Solo-Projekt. Ein Soulalbum alter Schule. Und der Beweis, dass Cee Lo Green zu den größten Stimmen seiner Generation gehört. Doch bei aller musikalischen Weiterentwicklung bleibt der Mann auch hier seinem Lebensthema treu: Aus Schmerz mach Pop! Das neue Album, sagt Green, sei „einem allzu oft gebrochenen Herzen“ entsprungen. Ganze sechs Jahre hat er zu dessen Fertigstellung gebraucht. Der Hauptgrund für die Verzögerung: Die Suche nach einer zündenden Hit-Single. Erst drei Jahre und 70 Songs nachdem er sich schon am Ziel geglaubt hatte, wurde der Soulsänger fündig: Mit „Fuck You!“ , dem Aufschrei eines verlassenen Liebhabers, der seine Ex mit neuem Freund im Ferrari vorbeirauschen sieht: „Er ist für dich eine X-Box/ ich bin nur ein Atari“. Humorvoll verpackt Green die Tragödie einer unerwiderten Leidenschaft in einen unwiderstehlichen Fingerschnipper. Selbst Motown-Chef Berry Gordy wäre wohl kaum um die Mitpfeif-Qualitäten dieses Songs herumgekommen. Von einem bloßen Abklatsch der goldenen Soul-Aera aber ist Cee Lo Green weit entfernt. Stattdessen flucht er, beugt er die Regeln, wann immer es ihm passt. So spannt der Sänger HipHop-Produzenten wie Salaam Remi oder Jack Splash ein, um den Soul vergangener Epochen postmodern aufzumöbeln, einen Gegenentwurf zum minimalistischen, zeitgenössischen Rhythm’n Blues zu liefern: Mit Gospel-Beats, den Aaahs und Ooohs einer Amen Corner, opulenten Streichern, Glockenspiel… Einen ähnlichen Rückgriff auf Motown und Musical habe zuletzt auch Raphael Saadiq oder Janelle Monae gewagt. Niemandem aber gelingt das ähnlich facettenreich wie Cee Lo Green.

In seinem nasalen Gesang schwingt bei aller Kraftmeierei a la Tom Jones stets auch die erotische Verzweiflung eines Marvin Gaye mit. Ungetrübt optimistisch kommt bestenfalls die Disco-Funk-Nummer „Bright Lights Bigger City“ rüber. Ein Groove wie von einem Michael-Jackson-Klassiker, zu dem sich Green als Großstadt-Partylöwe inszeniert. Ansonsten leidet der Soulsänger an seiner Ex, findet er eine neue Flamme, nur um wieder missbraucht zu werden, versucht er eine erkaltete Affäre zu retten, um schließlich als herzzerreißender Crooner und mit der Ballade „Old Fashioned“ zur ersten Liebe zurückzukehren. Und dann ist da noch der düster-intensive Thriller „Bodies“: Zu einem Film-Noir-tauglichen Soundtrack aus der Feder Chad Hugos von den Neptunes singt und flüstert ein scheinbar paranoider Cee Lo von einer Frauenleiche auf seinem Bett. Als ob er mal kurz die Maske lüften, den Tod hinter der Partykulisse vorführen wollte. „Ich halte dieses Album“, erklärt Green, „nicht für modernen Rhythm’n Blues und mich nicht für einen modernen Rhythm’n Blues Künstler. Ich versuche Frauenbeziehungen wieder zu kultivieren, während die meisten zeitgenössischen Rhythm’n Blueser gleich ohne Vorspiel zur Sache kommen“. Als Vorbilder nennt er nicht nur Sly Stone, sondern auch Elton John, Billy Idol, die Schminke-Rocker KISS. Ja selbst Billy Joels Mainstream-Pop und Countrynummern bringen Green zum Schwärmen. Oder ist man doch gerade dem Double-Talk des Soul-Clowns aufgesessen? „Ich benutze Witze, um die Wahrheit zu erzählen“, hat Cee Lo Green einmal gesagt. „Wenn du lachst: Cool, dann war es ein Witz. Aber wenn du mich ernst nimmst, dann habe ich die Wahrheit gesagt“.
JONATHAN FISCHER
Uptown Strut Nr. 08/Sommer 2011