Für die Musiker ist es eine willkommene Möglichkeit, auf das Schicksal ihres Volkes aufmerksam zu machen. So erzählen Terakaft in ihren Songs von Krieg, sozialen Verwerfungen – aber auch der Bedeutung der Musik. In einigen Ländern wie dem Niger erhielten die Tuareg-Musiker aus Angst vor einem Aufstand ein Auftrittsverbot. Denn sie sind mehr als Entertainer. Ihre Songs halten die Tuareg-Gemeinschaft zusammen und mobilisieren sie, egal über wie viele Länder ihre Mitglieder verstreut sind. Rutledge fasziniert das Spannungsfeld, in dem sich Terakaft bewegen. „Ihre Musik spricht eine junge Generation von Tuareg an. Sie zelebrieren mit ihnen einen von der Globalisierung gefährdeten Lebensstil“. Denn Stadtflucht, der Drogenhandel durch die Sahara und der Import radikaler islamischer Ideen setzten der religiös toleranten Tuareg-Gemeinschaft zu.
Der Gitarrist Diara spielte mit Tinariwen, bevor er 2001 sein eigenes Projekt Terakaft aufzog. Davor lebte er zusammen mit anderen von Gaddafi angeworbenen Tuareg in einem libyschen Militär-Camp in der Sahara, und lernte dort westliche Musik kennen: Bob Marley, die Dire Straits und Jimi Hendrix. Schließlich tauschte er die Kalaschnikow gegen die Gitarre ein. Musik zu schreiben erschien ihm lohnender. Der zweite Frontmann Sanou ist sein Neffe. Er hatte sich als Zehnjähriger eine Gitarre aus einer Blechbüchse und Fahrrad-Draht gebaut, bevor ihn der Onkel offiziell in die Band aufnahm. „Wir Tuareg“, sagt Sanou aus der nordmalischen Stadt Kidal, „durchleben gerade eine unserer größten Krisen: Unsere Verwandten in Südlibyen haben uns früher finanziell unterstützt. Seit dem Sturz Gaddafis ist es damit vorbei. Danach kamen die Islamisten, zerstörten unsere Instrumente und bedrohten uns Musiker mit dem Tod. Aber Musik ist das pure Leben in der Wüste. Wie könnten wir jemals ohne sie leben?“
Auch zwei Jahre nach der Vertreibung der Islamisten aus den großen Städten Nord-Malis, ist es immer noch viel zu riskant, dort Konzerte zu geben. Also touren die Musiker von Terakaft dorthin, wo die Karawane willkommen ist. „Wir wissen, was es bedeutet, zu flüchten“, sagt Diara, der heute mit seinen 120 Kamelen im Exil in Südalgerien lebt. „Deshalb widmen wir unsere Songs nicht nur den Tuareg, sondern allen Vertriebenen auf der Welt“.
JONATHAN FISCHER
SZ 2.3.2015