Monatsarchiv: Juli 2013

Der Groove der Zukunft: Mit einer billigen Single fing 1976 alles an: Eine von Nile Rodgers zusammengestellte Box demonstriert die Zeitlosigkeit der Chic-Disco-Hitfabrik – eleganter kann Eskapismus nicht sein.

Da tänzelt sie wieder! Jeder Discogänger hat sie schon mal gehört, diese federnde, hart synkopierende Funk-Gitarre. Und während Daft Punks neuester Hit „Get Lucky“ weltweit die Tanzflächen füllt, raunen es sich die Hipster ins Ohr: Nile Rodgers. Oder: „Erkennst du die Gitarre?“ Schließlich kennt man dieses elastische Geriffe über einer knochentrockenen Bassfigur von den großen Hits der Spät-Disco-Phase: „Le Freak“, „Good Times“, „We Are Family“.

War dieser Sound, der Chic-Sound, eigentlich in den vergangenen 35 Jahren jemals aus der Mode gekommen? Nein. Er hatte nur ein bisschen unter dem jahrzehntelangen Dauereinsatz als DJ-Allzweckwaffe gelitten. Schließlich lassen sich mit dem wuchtigen Groove von Bassist Bernard Edwards und Gitarrist Nile Rodgers selbst Halbtote und deren Großeltern zum Hüftschwung animieren. C’est chic, le freak!

Das hat einerseits schon viele Familienfeste und Betriebsfeiern gerettet. Andererseits hat die unverschämte Ansteckungskraft dieser Tanzrhythmen eine gewisse Skepsis befördert: Kann wirklich intelligent sein, was so instinktiv in die Beine geht? Man erinnert sich an T-Shirts mit dem Aufdruck „Disco Sucks“ und Discoplatten-Scheiterhaufen in amerikanischen Sportstadien – und schüttelt das alles nach ein paar Takten Chic-Groove wieder ab.

Nun hat Nile Rodgers persönlich in einer kundig zusammengestellten Vier-CD-Box den Zauber der „guten Disco“ aufs Neue eingefangen: „The Chic Organisation – Box Set Vol.1“ Die Zusammenstellung von Chic-Produktionen zwischen 1976 bis 1983 macht begreiflich, warum bis heute sowohl Dancefloor- wie auch Elektro- und Hiphop-Produzenten sich von deren Sound beflügeln lassen. Genial, wie reduktive Ästhetik und Massenappeal zusammenfinden: „Unsere Formel“, so hat Nile Rodgers einmal erklärt, „war es, einen Song in seine Basis-Elemente zu zerlegen, um ihn dann vor den Ohren der Zuhörer wieder aufzubauen.“

Dabei zeigte die Plattenindustrie Chic – so benannt zu Ehren von Josephine Baker und dem exotischen Nachtclub-Ambiente von Paris – erst einmal die kalte Schulter. Zu hart klang dieser Groove, zu spartanisch für die gewollt überladenen Chart-Arrangements. Rodgers und Edwards (der Bassist verstarb 1996) blieb nur der Untergrund. „Ein Freund und früher Fan von uns“, schreibt Nile Rodgers im Booklet, „wollte uns helfen, unsere Vision zu verwirklichen. Robert Drake arbeitete in einem professionellen Aufnahmestudio und zahlte dem Liftboy zehn Dollar, um uns hoch- und runterzufahren, so dass er uns abends nach Dienstschluss heimlich im Studio aufnehmen konnte.“ Das war im September 1976. Das erste Ergebnis ihrer nächtlichen Jamsession nannten Rodgers und Edwards „Everybody Dance“, ein Jazz-Funk-Stück mit einem unwiderstehlichen Break. Robert Drake, der als DJ in einem gehobenen New Yorker Club namens „The Night Owl“ arbeitete, hatte sich zwei Platten von der Nummer gepresst.

Ein paar Wochen später lud er das nichtsahnende Chic-Duo in seine Disco ein. Nile Rodgers erinnert sich, dass der Türsteher ihn wegen seines Hippie-Outfits erst nicht einlassen wollte – bis er sich als der Musiker hinter „Everybody Dance“ zu erkennen gab. Darauf bahnte man ihm – mit der Ansage, dass alle Getränke auf Kosten des Hauses gingen – einen Weg durch den von Zigarettenrauch verhangenen Club zur DJ-Kanzel. Der DJ hatte nur auf diesen Moment gewartet: Er ließ die Nadel fallen, und in das Schlagzeug-Intro fädelte sich das monströse Bassriff von Bernard Edwards ein. Nile Rodgers hatte das Stück schon einen Monat nicht mehr gehört: „Die Besucher des Clubs schrieen, dass mir beinahe das Blut gerann. Dann kam meine Gitarre zusammen mit dem Piano, dem Vibraphon und Clavinet ins Spiel. Der Raum füllte sich mit Stimmen ,Da-ance, do- do- do- do-, clap your hands, clap your hands …'“. Die entfesselte Menge von Tänzern hielt sieben Wiederholungen des Stückes durch und tanzte eine Stunde lang zu einem Song, der als Zehn-Dollar-Demo aufgenommen worden war.

Der Rest ist Geschichte: Nachdem Atlantic Records zuerst nur einen Single-Vertrag anbot, folgten in immer kürzeren Abständen neue Maxis, Alben und Aufträge für andere Stars. Aus dem Disco-Untergrund-Duo erwuchs eine Hitfabrik. Zeitweise arbeiteten Rodgers und Edwards an drei Produktionen in drei verschiedenen Studios gleichzeitig. Und ein Klassiker jagte den nächsten: „We Are Family“ und „Lost in Music“ von Sister Sledge, „Upside Down“ von Diana Ross oder Norma Jeans „Saturday“. Auch Debbie Harry, Sheila & B. Devotion, Teddy Pendergrass und Crooner Johnny Mathis ließen sich vom „good groove“ befeuern.

Ergänzt wird die Werkschau durch ein paar unveröffentlichte Chic-Outtakes – und fünf Neu-Remixen von DJ Dimitri From Paris. Die hätte es allerdings als Aktualitätsausweis gar nicht gebraucht. Denn von David Bowie („Let’s Dance“) bis Madonna („Like a Virgin“) und nun Daft Punk blieb Nile Rodgers‘ Gitarre immer präsent. Wer wollte bezweifeln, dass dem Chic-Sound die Zukunft gehört? Wer sich in der Euphorie ihres federnden Grooves verliert, kann immer noch süchtig werden und die Welt für eine Viertelstunde in Rhythmus auflösen. Eleganter geht Eskapismus nicht!

JONATHAN FISCHER
FAZ 30.7.2013

Rap für mehr Demokratie: Malis Musiker Amkoullel über die Wahlen in seinem Land

Issiaka BG, alias Amkoullel ist der bekannteste Rapper Malis. Seit seinem Debüt im Jahr 2002 gilt der 29-jährige Hip-Hop-Aktivist, Fernsehmoderator und Konzertveranstalter als Stimme der malischen Jugend. Der Sohn zweier Ärzte verbrachte seine frühe Kindheit in Berlin und lebt heute in einem Vorort der Hauptstadt Bamako. Nach der Militärintervention Frankreichs und der Vertreibung der Islamisten aus dem besetzten Norden Malis sollen Präsidentschaftswahlen am 28. Juli das westafrikanische Land zur Demokratie zurückführen. Insgesamt 27 Kandidaten treten in der ersten Runde an, unter ihnen sind viele bekannte Gesichter. Die Hoffnung, dass die Abstimmung einen Neuanfang einläuten könnte, ist durch die Angst vor Anschlägen und unvollständige Wählerlisten getrübt. Hunderttausende Malier sind nicht in ihre Heimatorte zurückgekehrt. Die Wahlbeteiligung ist traditionell niedrig.

Amkoullel, Sie rufen zusammen mit einem Dutzend Rapper-Kollegen die jungen Malier dazu auf, wählen zu gehen. Warum braucht es Hip-Hop-Songs wie „Vote“ für eine demokratische Mobilisierung?

Wir leben in einem Land mit 70 Prozent Analphabeten. Da kann ein Song mehr Menschen erreichen als jede Zeitung – vor allem wenn er über Facebook oder Twitter mitgeteilt wird. Wir Rapper rufen zusammen die Jugendlichen dazu auf, zur Wahl zu gehen. Wir werben für keinen speziellen Kandidaten. Sondern für die aktive Beteiligung an der Demokratie. Man muss das den Kindern schon in den Schulen beibringen. Denn nur mit Bildung lässt sich etwas ändern.

Sie verfolgen als Rapper einen politischen Bildungsauftrag?

In einer traditionellen Gesellschaftsordnung funktioniert Bestechung möglicherweise ganz gut. Aber wir leben in einer Demokratie. Also muss man die Menschen zum Nachdenken bringen: Ist es wirklich besser, für denjenigen zu stimmen, der ihnen Geld gibt, oder für denjenigen, dessen Politik dem ganzen Land Gewinn bringt?

Haben Sie es begrüßt, dass die ehemalige Kolonialmacht Frankreich Anfang dieses Jahres Truppen geschickt hat, um den Norden Malis von islamistischen Rebellen zu befreien?

Klar, als ehemalige Kolonialmacht hat Frankreich nicht den besten Ruf hierzulande. Aber nun hängen überall in Bamako französische Flaggen: Es fühlt sich fast so an, als ob uns die Franzosen das Leben gerettet hätten. Wir haben ja schon im Norden Malis das Terror-Regime der Islamisten erlebt: kein Alkohol, kein Radio, kein Tanz, keine Musik. Sie haben Musikinstrumente verbrannt, und den Musikern gedroht, die Hände abzuhacken. Wir sind ein Land von Handwerkern, Händlern, Künstlern – was hätten wir den gut bewaffneten islamistischen Milizen schon entgegenzusetzen gehabt? Jetzt ist es Zeit, dass wir alle am selben Strang ziehen.

Sie sind als Rapper aber nicht nur den Islamisten, sondern auch vielen Politikern in Bamako ein Dorn im Auge . . .

Viele Politiker schimpfen uns Rapper als respektlos. Dabei haben wir nichts gegen die traditionellen Regeln in Mali. Aber wir attackieren die korrupten Machthaber.

Mali ist für seine reiche und jahrhundertealte Musikkultur berühmt. Wirken die Rapper da nicht wie ein westlicher Import?

Die traditionelle Musik wird in Mali von den Griots, den traditionellen Barden-Dynastien, am Leben gehalten. Sie haben vor allem die Aufgabe, die Herrschenden zu preisen, Kritik können sie nur kaschiert üben. Wir Rapper akzeptieren keinen Maulkorb. Es ist ja noch nicht so lange her, dass in Mali überhaupt Musiker aus dem einfachen Volk spielen. Erst als ich die Musik von Public Enemy, Grandmaster Flash und Afrika Bambaataa entdeckte, hatte ich den Mut, als Rapper aufzutreten und Konzerte zu organisieren. Allerdings wollen wir Malier keinen amerikanischen Hip-Hop imitieren. Deshalb etwa benutze ich in meiner Musik traditionelle Instrumente wie die Ngoni-Laute, Kora und Balafon.

Sie sind bereits oft durch Amerika und Europa getourt. Wie unterscheiden sich die Hip-Hop-Spielregeln in Mali vom Westen?

Hierzulande kann man mit Hip-Hop kein Geld verdienen. Wir laden unsere Songs kostenlos hoch. Aber ich habe zum Glück ein Kollektiv junger Malier hinter mir, die meine Clips unterstützen und mit denen ich zusammen Hilfslieferungen in den Norden Malis organisiere. Es ist sehr wichtig, dass wir Rapper in der Sprache der malischen Jugend reden. Denn immer wieder kommen Jugendliche aus entlegenen Dörfern an meine Tür: Dann erklären sie, was bei ihnen passiert, und bitten mich, davon zu berichten.

Dürfen Sie denn alles sagen, was Sie wollen? Oder gibt es auch eine Zensur für die malischen Rapper?

Ja, es gibt hier eine Zensur. Ich habe etwa einen Monat vor dem Staatsstreich im Jahre 2011 diesen Videoclip gedreht. Der Song hieß „SOS“, um die Stimmung im Land auf den Punkt zu bringen: Alle sind frustriert, irgendetwas wird explodieren. Wir hatten den Song an die verantwortlichen Politiker unseres Landes adressiert. Nach dem Putsch im Frühjahr 2011 hat das Militär das Video zensiert. Es durfte nicht mehr im Rundfunk laufen. Aber über die sozialen Netzwerke wurde es trotzdem zum Hit.

Regierungskritische Journalisten sind in Mali zuletzt von Schlägertrupps angegriffen worden. Kann Ihnen das nicht auch passieren?

Ich habe telefonisch mehrere Gewaltdrohungen bekommen. Es ist die einzige Zensur, die den korrupten Machthabern noch bleibt: Musikern oder Journalisten, die eine unbequeme Botschaft aussenden, Angst einzujagen. Das ist eine psychologische Waffe. Aber wenn wir uns einschüchtern lassen, dann gewinnen diejenigen, die Mali als Selbstbedienungsladen sehen.

INTERVIEW: JONATHAN FISCHER
SZ 27.6.2013

„Wir weisen die Islamisten in ihre Schranken“ Erst gegen Mubarak, jetzt gegen Mursi: Mohammed El Deeb ist der Rapper der ägyptischen Revolution. Im Interview spricht er über Samples von Jay-Z und den Hass der Salafisten auf HipHop

Mohammed El Deeb, Rapper aus Kairo, hatte in seinen Songs bereits das Regime Mubarak kritisiert und war während der Januar-Revolution auf dem Tahrir-Platz aufgetreten. Seitdem gilt der 29-jährige als die HipHop-Stimme Ägyptens. Zuletzt tourte Deeb durch Europa und Amerika und trat mit anderen Rap-Stars des arabischen Frühlings an der Brooklyn Academy of Music auf. Sein neues Album „The Cold Peace“ kombiniert arabische Raps, traditionelle ägyptische Musik und westliche Beats.

Die Welt: Auch Sie hatten auf dem Tahrir-Platz mit Hunderttausenden Ägyptern den Rücktritt Präsident Mursis gefordert. Nun hat das Militär seit drei Wochen die staatliche Gewalt in seiner Hand. Glauben Sie, dass dieser Putsch das Land der Demokratie näher gebracht hat?

Mohammed El Deeb: Was zwischen dem 30. Juni und 3. Juli auf den Straßen passierte, war doch kein Militärputsch, das war ein Volksaufstand. Die Armee schlug sich lediglich auf die Seite des Volkes und führte dessen Wunsch aus: nämlich den Präsidenten abzusetzen. Wir Ägypter haben die Nase voll von den Muslimbrüdern. Die Militärs werden ihre Fehler von einst nicht wiederholen, als sie die Demonstranten für mehr Demokratie inhaftierten und verfolgten. Eher erleben wir gerade die dritte Welle der Revolution. Zuerst haben wir Mubarak verjagt, dann die Militärs zurechtgestutzt. Jetzt müssen wir noch die Islamisten in ihre Schranken weisen.
„Nach der Revolution“
Kino-Trailer
Eine ägyptische Liebe „Nach der Revolution“
Understatement war die Sache der des HipHop noch nie. Der Rapper an sich trägt gern auffällige Klamotten mit reichlich Bling-Bling, so wie das legendäre Duo Eric B & Rakim.
Dapper Dan
Der Mann, der den HipHop-Look erfand
Sosan Firooz im Studio
Lebens-Geschichte
Rapperin Firooz ist die junge Stimme Afghanistans

Die Welt: Sie gelten als Stimme der städtischen Jugend. Welche Alternative schwebt Ihnen vor?

Deeb: Es ist Zeit dafür, eine säkulare und zivile Gesellschaft aufzubauen. Mit meinen Hip-Hop-Songs habe ich immer wieder an dieses ursprüngliche Ziel der Demonstrationen auf dem Tahrir-Platz erinnert, zuletzt mit dem Song „Maw3ood“. Darin frage ich ein halbes Jahr nach Mursis Wahl, wie viele seiner Versprechen der Präsident eingelöst hat: „Lasst uns zusammenhalten, damit wir nicht sterben/ Rufen wir ein lautes Nein zu den regierenden Affen.“

Die Welt: Aber wurde Mursi nicht auf demokratische Weise und mit einer großen Mehrheit gewählt?

Deeb: Gewählt, ja, aber er hat nicht auf demokratische Weise regiert. Unter ihm begannen die Muslimbrüder alle Schaltstellen der Macht an sich zu reißen und unsere Gesellschaft genauso zu kontrollieren wie einst Mubarak. Wissen Sie, was die erste Amtshandlung von Mursis Kultusminister war? Er verbot das Ballett, die Oper und den modernen Tanz. Die gefeuerten Tänzer, Sänger und Operndirektoren aber wehrten sich mit einem Sit-in vor dem Eingang des Kultusministeriums. Sie sangen dort, führten auf der Straße Ballett und modernen Tanz auf – zum ersten Mal in ihrem Leben verließen sie ihre Kulturtempel. Und eine große Menschenmenge versammelte sich, um das zu erleben. Es war, als ob der Versuch, diese Kunst abzuschaffen, ihr erst richtig das Leben eingehaucht hätte. Aus dem Widerstand haben wir eine Regeneration erfahren. Die Menschen erfinden sich selbst neu. Sie redefinieren ihre Identität.

Die Welt: Sie waren der erste Rapper, der während der Januar-Revolution auf dem Tahrir-Platz auftrat. Welche symbolische Kraft hat dieser Platz für die säkulare ägyptische Jugend?

Deeb: Es gibt in Kairo inzwischen ein halbes Dutzend HipHop-Clubs, wo sich die Eingeweihten versammeln. Aber mein Auftritt auf dem Tahrir-Platz reichte weit über diese Szene hinaus: Er symbolisierte die Mehrstimmigkeit des neuen Ägyptens. Zehntausende Demonstranten hatten sich vor der Bühne, wo sonst Gedichte und politische Botschaften verlesen wurden, versammelt. Viele von ihnen hatten noch nie HipHop gehört. Damals konnte ich nur zwei Songs. Aber als ich mit ihnen durch war, schrie die Menge nach mehr. Anschließend erfuhr ich, dass eine Gruppe Salafisten versucht hatte, meinen Auftritt zu verhindern – weil sie glaubten, dass meine Musik nicht gottgefällig sei und weltliche Unterhaltung nichts auf dem Tahrir-Platz verloren hätte. Aber die Zuhörer stoppten sie. Das war eine starke Erfahrung: Dass diese Menschen, die vorher kaum einen Bezug zu meiner Musik hatten, die Extremisten und religiösen Faschisten in ihre Schranken wiesen und das Recht auf freie Meinungsäußerung verteidigten.

Die Welt: Müssen Sie sich als Rapper nicht ständig gegen den Vorwurf verteidigen, westliche und unislamische Kunst zu machen…

Deeb: HipHop überbrückt alle Gräben. Klar, dass das manchen Extremisten nicht gefällt. Denn diese Musik kann eine Gemeinschaft jenseits von religiösen oder sozialen Unterschieden schaffen. Mein Song „Masrah Deeb“, eine Hymne der Januar-Revolution, wird von einem BB-King-Riff angetrieben. Auf der anderen Seite hat Jay-Z etwa auf „Big Pimpin'“ einen berühmten ägyptischen Sänger gesamplet. Wir schätzen den musikalischen Austausch mit dem Westen. Das heißt aber noch lange nicht, dass wir uns seine Werte ohne Wenn und Aber aufdrücken lassen wollen.

Die Welt: Was bedeutet das in Hinblick auf Ihre Kunst? Im Westen ist HipHop doch längst im kommerziellen Mainstream gelandet…

Deeb: In meinem Land hat HipHop noch nichts mit Materialismus zu tun. Ich lade meine Songs hoch und jeder kann sie kostenlos hören. HipHop ist hier ein politisches Medium – nicht weil ich mich als Politprediger sehe, sondern weil ich aufgreife, was die Leute auf der Straße reden. Ich rappe auch nicht auf Hocharabisch, sondern in der ägyptischen Umgangssprache. Das spiegelt unser neues kulturelles Selbstbewusstsein.

Die Welt: Sie fordern in Ihrem Song „Steh auf Ägypter“ Ihre Landsleute zur Rückbesinnung auf ihre eigenen Stärken auf…

Deeb: Wir Ägypter waren politisch, ökonomisch und kulturell vor 60 Jahren schon mal weiter als wir es heute sind. Wir sollten uns nicht mit Deutschland oder Amerika vergleichen. Unsere Traditionen passen nicht zusammen. Aber wir fordern ein politisches System, das alle in ihren Unterschieden respektiert, Männer wie Frauen, unabhängig von ihrer Religion, politischen oder ethnischen Zugehörigkeit. Wir sind seit 1400 Jahren Moslems. Wir brauchen keine Salafisten oder Muslimbrüder, die uns kontrollieren, oder uns beibringen, wie unser Glaube auszusehen hat.

Die Welt: Sie bestehen darauf, den Islam nicht mit seinen Fanatikern zu verwechseln. Warum können dann die Muslimbrüder und Salafisten dennoch so viele Ägypter hinter sich scharen?

Deeb: Man darf nicht vergessen, dass 40 Prozent der Ägypter Analphabeten sind. Und selbst manche der Alphabeten haben kaum ein Buch außer dem Koran gelesen. Sie haben keinen Zugang zu Sozialen Medien oder alternativen Informationsquellen und sind vollkommen der Propaganda ihrer Sheikhs und religiösen Prediger ausgeliefert. Dazu kommt ihre Armut – und die Abhängigkeit von religiösen Wohlfahrtsprogrammen. Dennoch habe ich große Hoffnung: Weil wir Ägypter einen starken Kollektivgeist teilen, waren wir in der Lage, Mubarak zu stürzen. Wir haben trotz aller sozialer Unterschiede auf der Straße zusammengefunden und gemeinsam Lösungen diskutiert. Jetzt dürfen wir den öffentlichen Raum nicht den vom Staat und Parteien kontrollierten Medien überlassen. Deshalb sind Graffiti und HipHop heute in Ägypten so wichtig. Seit der Januar-Revolution blüht die demokratische Straßenkunst in unseren Städten. Diese Graffiti und Stencils geben die Meinung der Straße wieder. Die Muslimbrüder haben viele von ihnen übertünchen lassen. Aber man kann sie nicht mehr aus der Welt schaffen. Sie entstehen jeden Tag aufs Neue…

Die Welt: Es wurde viel über die Rolle der Sozialen Netzwerke bei den Massenprotesten des arabischen Frühlings diskutiert. Welche Rolle spielen sie heute bei der Demokratisierung der ägyptischen Gesellschaft?

Deeb: Wenn Straßenkünstler verhaftet werden, senden sie eine Twitter-Nachricht, die sich schnell in den Sozialen Medien ausbreitet. Man kann nicht mehr wie früher Menschen einfach im Gefängnis verschwinden lassen. Der öffentliche Druck ist zu groß. Deshalb kommen Inhaftierte meist am nächsten Tag wieder frei. Das nützt auch uns HipHoppern. Über die Sozialen Medien können wir jederzeit unsere Freunde mobilisieren. Deshalb habe ich keine Angst, meine Meinung zu sagen.

Interview: Jonathan Fischer
Die Welt, 24.7.2013

„Zieht eure Gasmasken aus!“ Baris Uygur über Satire als Waffe in den Protesten gegen die türkische Regierung, Sprachcodes der Jugend und hilflose Mächtige

Baris Uygur (35) ist Mitherausgeber des in Istanbul verlegten Satire-Magazins Uykusuz (übersetzt „Schlaflos“). Jeder türkische Jugendliche kennt die Karikaturen von

Uykusuz wie auch der Konkurrenzblätter Penguen und LeMan : Sie zirkulieren wöchentlich mit Auflagen von mehr als 200 000 Exemplaren auf Schulhöfen und Campussen. Sie gelten als Sprachrohr der säkularen jungen Städter, die seit Ende Mai gegen die Regierung Erdogan demonstrieren.

SZ: Herr Uygur, in Ägypten haben Massenproteste zu einer Amtsenthebung der islamistischen Regierung durch das Militär geführt. Bestärkt das die Türken in ihrem Protest?

Baris Uygur: Nein, unsere Situation lässt sich nicht mit der in Ägypten vergleichen. Die Leute auf der Straße haben sich Freiheit gewünscht – und die Freiheit, das lehrt uns die türkische Geschichte, kommt niemals durch einen Staatsstreich der Armee. Keiner der Jugendlichen, die in Istanbul oder in anderen Städten auf die Straßen gingen, will ein autoritäres Regime durch ein anderes ersetzen. Wenn einige Kemalistengruppen mit dem Slogan „Wir sind die Soldaten Atatürks“ nach dem Militär riefen, antworteten sie: „Wir sind die Soldaten Gandalfs“. Oder sie bezeichneten sich als Armee einer berüchtigten türkischen Drag-Queen.

Den Demonstranten ist trotz des Gas- und Gewalteinsatzes der türkischen Polizei der Humor nicht vergangen?

Humor war ihre wirkungsvollste Waffe. Wenn etwa die Polizei anrückte, haben die Leute gerufen: Sprüht nur Pfefferspray! Aber zieht eure Gasmasken aus, und wir werden sehen, wer mehr verträgt!

Sie haben einmal gesagt, dass Sie vom Journalismus zur Satire gewechselt seien, „weil alle guten und unabhängigen Journalisten in der Türkei auf dieselbe Weise enden würden: im Grab oder im Gefängnis“. Haben Sie die Demonstrationen überrascht?

Von regierungskritischen Demonstrationen mit einer Million Menschen hätten wir früher nicht einmal geträumt. Erst recht nicht von deren kreativem Humor: Der „adam duran“, der schweigend auf dem Taksim-Platz stehen blieb, war nur die spektakulärste von vielen Flashmob-Aktionen. Es war das politische Coming-out der 16- bis 30-Jährigen, einer Generation, die ihre Freizeit bisher vor allem mit Videospielen und in Internetforen verbracht hatte.

„Uykusuz“ versteht sich als Sprachrohr dieser jungen Leute. Wie hat die Zeitschrift auf die Proteste reagiert?

Die letzten Nummern waren eine große Herausforderung für uns: Seit Jahren kommentieren wir humorvoll bis bissig die türkische Politik. Aber nun hat uns die Straße mit ihrer Art von Satire eingeholt. Nicht nur im Timing ist sie uns überlegen. Auch die Referenzen sind witzig wie nie zuvor: Sie beziehen sich auf aktuelle TV-Fantasy-Serien wie „Herr der Ringe“ oder auf Computerspiele wie „Call of Duty“, „Grand Theft Auto“ und „World of Warcraft“. Um sie zu verstehen, braucht man viel Vorwissen über Populärkultur. Da hat unsere Uykusuz -Taktik Nachahmer gefunden: Sie wechseln auf eine Sprachebene, auf der die Politiker machtlos wirken. Oder zumindest lächerlich.

Erdogan braucht also Übersetzer, um

zu verstehen, was die Demonstranten auf den Straßen schreiben und skandieren?

Nicht nur Erdogan. Die Machtzirkel der AKP haben diese Slogans genauso wenig verstehen können wie die Oppositionspolitiker von der CHP oder die Marxisten. Hier wird der Riss zwischen den Generationen sichtbar: Auch ich gehöre eigentlich nicht mehr zu diesen Jugendlichen, habe aber zu ihnen noch eine enge Beziehung, weil sie die Leser von Uykusuz sind und uns oft Mails und Karikaturen schicken.

Können Sie erklären, was diese bisher apolitische junge Generation fordert?

Das Gros der türkischen Jugendlichen würde sich nie in einer politischen Partei engagieren, sie wollen einfach ihr eigenes Leben führen: „Wir hören nicht mal auf unseren eigenen Vater, warum sollen wir dir gehorchen, Erdogan?“, riefen sie auf den Demos. Solange er nur seinen Job macht, interessiert er sie nicht. Aber sie sind wütend, dass er sich in ihr Privatleben einmischt, ihnen vorschreibt, wie viele Kinder sie gebären sollen, wo sie Bier trinken dürfen und wie sie sich zu kleiden haben. Ständig – und nicht nur bei der Bebauung des Gezi-Parks – bevormundet Erdogan die Bürger mit altväterlich-autoritären Ansichten. Auch deshalb sind Satire-Zeitschriften wie Uykusuz so populär. Wir haben keine Werbung, sind total unabhängig. Im Moment handelt unser ganzes Heft fast ausschließlich von den Protesten: Das kann sich keine andere Zeitung in der Türkei leisten.

Früher haben sich Satire-Magazine Beleidigungsklagen eingehandelt, wenn sie Erdogan etwa als Affen oder Kamel zeigten. Hat sich seit den Protesten die Pressefreiheit noch mal verschlechtert?

Offiziell gibt es in der Türkei keine Zensur. Aber bei drei Themen müssen wir vorsichtig agieren: Witze über Atatürk, das Militär und die Religion. Trotzdem bleiben die Satire-Zeitschriften, dank einer loyalen Leserschaft, die einzig wirklich freien Massenmedien hierzulande. Denn in der Regel verdienen Zeitungen und Fernsehsender in der Türkei kein Geld. Sie funktionieren nur als Teil von Wirtschaftsimperien wie Energiekonzernen, Banken, Automobilbauern. Wenn eines dieser Medien Opposition gegen Erdogan macht, hat das Auswirkungen auf deren Firmengruppen. Da steht dannplötzlich eine Steuerprüfung an.

Haben die Oppositionsparteien keine eigenen Zeitungen und Magazine?

Wir haben eine viel höhere Auflage und eine halb so alte Leserschaft. Die jungen Demonstranten waren mit Sicherheit eher unsere Leser. Das liegt daran, dass sich die Lesegewohnheiten drastisch geändert haben. Die langatmigen, einseitigen Artikel der türkischen Tageszeitungen erreichen kaum einen Jugendlichen. Fast alle verstehen Englisch: Also informieren sie sich auf den Webseiten der New York Times oder des Guardian – und witzeln anschließend über die Beschränktheit der türkischen Mainstream-Medien. Etwa wenn diese behaupten, die Proteste seien von Israel, Amerika oder Deutschland gesteuert. Oder wenn ein Fernsehmoderator nicht einmal weiß, was Graffiti bedeutet. Da quellen die sozialen Netzwerke vor witzigen Kommentaren über.

Was können Sie dem als Satire-Zeitschrift noch hinzufügen?

Unsere Redaktion ist nicht weit entfernt vom Taksim-Platz. Auf dem Weg zur Arbeit lesen und hören wir täglich neue satirische Slogans. Viele junge Menschen sprechen so zum ersten Mal über Politik. Das ist großartig. Wenn wir den Straßenwitz nicht nur kopieren wollen, liegt die Messlatte für uns viel höher als früher: Aber wer von uns wollte sich darüber beschweren?

INTERVIEW: JONATHAN FISCHER
SZ 17.7.2013

Paul McCartney ist ein Kumpel: In Mali ist die Musik politisch: Der Volkssänger Bassekou Kouyaté über seine Lieder, die Islamisten und Angela Merkel

Der malische Musiker Bassekou Kouyaté gehört zu den Griots, den traditionellen Geschichtenerzählern Westafrikas. Der Sänger und Ngoni-Spieler hat die jahrhundertealte Musik modernisiert und spielt heute mit internationalen Popstars wie Taj Mahal, Damon Albarn und Paul McCartney zusammen. Seitdem die Islamisten den Norden Malis besetzt haben, gilt der 47-Jährige als eine der wichtigsten politischen Stimmen des Landes.

Herr Kouyaté, Musik gehört zu den international begehrtesten Exportgütern Ihres Landes. Wie hat sich der Krieg im Norden Malis auf die heimischen Musiker ausgewirkt?

Bassekou Kouyaté:

Der Krieg hat uns sehr getroffen, nicht nur unsere Wirtschaft, sondern auch die Musiker. Gott sei Dank kam uns die französische Armee zu Hilfe – sonst stünden die Islamisten jetzt in Bamako und hätten uns unsere eigene Kultur verboten. Wir sind doch alle Muslime. Und im Koran ist überliefert, dass unser Prophet selbst die Musik liebte. Wir Musiker haben immer für den Frieden gesungen. Aber nun haben wir wegen des Ausnahmezustands keine Arbeit, verdienen keinen Franc, müssen aber weiterhin unsere Miete zahlen, unsere Kinder und Familien ernähren. Es gibt keinen Tourismus mehr, keine Musikfestivals, aber tausende von arbeitslosen Musikern und Sängern.

Sie haben berühmte Musikerfreunde in aller Welt. Haben Sie nie daran gedacht, das Land zu verlassen und Ihren Lebensunterhalt im Exil zu verdienen?

Ich bin als Griot meinem Volk gegenüber verpflichtet. Das Schicksal meines Landes war immer Grundlage meiner Musik. Natürlich hatte ich nach der Besetzung des Nordens und dem Militärputsch Angst, und ich habe tatsächlich überlegt, ob es nicht besser wäre, nach Frankreich zu gehen. Aber die Verantwortung wog schwerer. Also blieb ich. Wir Musiker haben auch viele aus dem Norden geflohene Kollegen unterstützt und bei uns aufgenommen. Sie haben alles zurück gelassen. Die bewaffneten Banditen im Norden haben alle ihre Instrumente zerstört. Sie haben keine Gitarren oder Trommeln mehr. Sie sind mittellos in den Süden gekommen. Wir haben alles mit ihnen geteilt, was wir haben.

Sie haben 2012 während der tiefsten Krise Ihr neues Album „Jamako“ aufgenommen. Sprechen Sie in Ihren Songs auch über die gegenwärtigen Probleme Malis?

In „Sinaly“ besinge ich einen Peul-König, den jeder in Mali kennt. So wie Frankreich jetzt die Islamisten in Mali gestoppt hat, so hat er im 15. Jahrhundert die Araber daran gehindert, den Süden Malis zu kolonisieren. Es ist eine ähnliche Konstellation, derselbe Kampf. Diese Islamisten sind keine richtigen Moslems. Sie wollen nur zwei Dinge: Macht und Geld. Deshalb werde ich nicht müde, mit meinen Liedern gegen sie anzusingen.

Sie haben in der Vergangenheit auch mit Musikern aus dem Norden zusammengearbeitet, sind bei Tuareg-Festivals aufgetreten. Heute aber verteufeln viele Politiker in Süd-Mali die Tuareg als Verursacher des Kriegs im Norden.

Ich erinnere mich an all die Feste, die wir zusammen mit den Tuareg gefeiert haben. Egal, ob bei der Biennale in Bamako oder einem Festival in Kidal: Die Tuareg waren immer Teil unserer malischen Kultur. Wir haben zusammen gelebt, zusammen gegessen und zusammen gearbeitet. Jetzt müssen wir uns zusammensetzen und reden. Die Tuareg können ihre Rechte einfordern. Aber nicht mit Waffen, sondern respektvoll am Verhandlungstisch. Das singe ich in „Jamako“: Dass wir alle Malier sind und zur selben Nation gehören. Wir wollen keine Teilung unseres Landes.

Sie kritisieren die Militärputschisten dafür, dass sie die Musikvideos aus dem Fernsehen verbannt haben und unbequeme Stimmen zensieren.

Nur ein guter Führer wird von den Griots gepriesen. Geld hin oder her: Kein Einziger von uns hat einen Song für die Militärputschisten gemacht. Eher im Gegenteil. Ein Kollege von mir musste Hals über Kopf aus Bamako fliehen, nachdem er darüber gesungen hatte, wie die malische Armee vor dem Feind davonrannte. Es war die Wahrheit. Und sie haben ihn mit dem Tod bedroht.

Sie halten auf jedem Ihrer Konzerte flammende Reden gegen die Islamisten, gegen Militärdiktatur und Zensur. Ist es üblich, dass Griots so offen die Politik kommentieren?

Mein Großvater hat das schon so gemacht. Er war das Sprachrohr des Königs – aber auch sein Kritiker. Er hat im malischen Radio Texte gesungen, die so kein Journalist hätte bringen können. Er hat ausgesprochen, was sich wirklich in Mali abspielt. Die Musik der Griots ist heilig. Deshalb kann ein Griot die Machthaber kritisieren und seine Meinung kundtun.

Für Ihr jüngstes Album „Jamako“ haben Sie den kanadischen Produzenten Howard Bilerman von der Band Arcade Fire engagiert. Welche Einfluss hat der westliche Pop auf die jahrhundertealten Musiktraditionen Malis?

Wir erleben da gerade einen großen Umbruch. Die Welt verändert sich, und unsere Musik verändert sich mit ihr. Ich spiele nicht mehr die selben Sachen wie mein Großvater oder mein Vater. Ich benutze zum Beispiel Wahwah-Pedale und elektronische Verstärker und Verzerrer für meine Ngoni-Laute. Wir haben den Sound verändert, aber nicht die Musik und ihre Struktur.

Damon Albarn, Bono, Taj Mahal, Bela Fleck: Sie haben mit vielen Rockstars aus dem Westen Bühne und Studio geteilt. Wie haben Sie die Zusammenarbeit erlebt?

Die letzten Jahre habe ich viel mit Damon Albarn zusammen gespielt. Er verehrt afrikanische Musik, er ist begierig, sie zu erlernen, und er hat viel für uns Afrikaner angestoßen: Auf der Karawane der afrikanischen Musiker, mit der er jüngst durch England tourte, brachte er mich sogar mit Paul McCartney auf der Bühne zusammen. Ich dachte mir: Vorsicht, das ist ein unglaublich berühmter Musiker! Aber dann erwies er sich als liebenswerter Kumpel.

Können Sie sich vorstellen, warum so viele westliche Musiker ausgerechnet in Mali nach Inspiration suchen?

Die malische Musik ist – selbst für Afrika – einmalig in ihrer Vielfalt. Von den achtzig Ethnien Malis hat jede ihre eigenen rhythmischen und melodischen Variationen. Wir schöpfen aus dem Vollen, deswegen können wir so kreativ und produktiv sein. Auch wenn wir ein bitterarmes Land sind. Unsere Musik öffnet uns die Türen zur Welt. Ansonsten würde wohl niemand wissen, wer wir Malier eigentlich sind.

Am 28. Juli sind Präsidentschaftswahlen in Mali. Was erhoffen Sie sich davon?

Alle Musiker hoffen, dass wir bald wieder wie früher auf Hochzeiten, Taufen und Beerdigungen spielen können. Wir beten für einen weisen Führer, der uns aus unserer Misere herausführt. Jemanden wie Angela Merkel. Ich bewundere ihre Intelligenz und Umsicht, sie ist eine starke Frau, aber sie manipuliert nicht.
Interview: JONATHAN FISCHER
Die Welt 5.7.2013